Renate von Olshausen
Vorsitzende Richterin am OLG a.D.
Auszüge aus der Einführung in die Ausstellung „Endlos“ mit Malerei von Carmelo Cicero
im historischen Treppenhaus des Oberlandesgerichts Köln am 07.11.2013
„ K ö l n l e u c h t e t “
Dieses leicht abgewandelte Thomas-Mann-Zitat beschreibt treffend die zauberhafte Liaison der Malerei von Carmelo Cicero mit der geschichtsträchtigen Örtlichkeit, in der wir uns befinden. Die Galaxien des Künstlers vermitteln dem historischen Treppenhaus einen besonderen Glanz, und ihre Ausstrahlung wirkt über das Agnesviertel hinaus weit in die Kunststadt Köln hinein.
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Genießen Sie es also, dass wir an diesem wunderschönen Ort von den Werken eines Künstlers umgeben sind, der sich zur Aufgabe gemacht hat, auf dem Weg über die Kunst das Unsichtbare sichtbar zu machen, dessen Schaffen ganz auf die Verarbeitung und Darstellung philosophischer Themen ausgerichtet ist.
Nach Abschluss einer frühen Phase, in der Carmelo Cicero auch gegenständlich gemalt hat, arbeitet er schon seit langem in ausgedehnten Zyklen zu Begriffen wie „Zeit“, „Raum und Rand“, „Chaos und Kosmos“ oder zu den Erscheinungsformen der „Vielschichtigkeit“ und zu den „Sieben Wahrheiten“ – letzteres dürfte in diesem Haus von besonderer Brisanz sein.
Diese beispielhafte Themenauswahl zeigt, dass der Künstler in seinem Werk nicht bei sich selbst als Individuum stehen bleibt. Er belästigt uns nicht mit seinen individuellen Befindlichkeiten, er wirbt auch nicht mit politisch-gesellschaftlichen Anliegen. Er greift vielmehr weit darüber hinaus, sozusagen nach den Sternen. Es geht ihm um das Ganze, das All, die Unendlichkeit. Vor uns entfalten sich metaphysische Landschaften oder mit anderen Worten ausgedrückt: der Himmel als Universum in all seiner Weite. Was wir davon sehen ist nur ein winziger Bruchteil der Milliarden von Galaxien, die sich wiederum aus Milliarden von Sternen und Planetensystemen, Gasnebeln und Staubwolken zusammensetzen. Der Titel zu der aktuellen Ausstellung „Endlos“ bezieht sich auf dieses Phänomen, dessen Unfassbarkeit Carmelo Cicero auf künstlerischem Weg beizukommen versucht.
Endlos – zeitlos - ewig?
Was bedeutet das für unser Leben?
Wir wissen, dass selbst Philosophen an der Definition der Zeit scheitern: Wittgenstein formuliert immerhin zeitlos:“ Ich erinnere mich deutlich an das, was morgen geschehen wird.“
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Ob es uns gefällt oder nicht, das Zeitmanagement gehört zu den wichtigsten Eigenschaften eines modernen Erfolgsmenschen. Erst in jüngster Zeit hat man die Vorteile einer Entschleunigung entdeckt. Sie geht nicht zwingend mit einer Verlangsamung einher, sondern bedeutet vorrangig eine Individualisierung des Umgangs mit der Zeit. Wir sollten deshalb selbstbewusster sein und die Zeit bei uns und in uns und in dem suchen, was uns ausmacht. Ich glaube übrigens, das ist eine der Botschaften von Carmelo Ciceros Bildern. Er überwindet mit ihnen genial die nur noch in Lichtjahren zu messenden Entfernungen. Die Darstellungen wirken ruhig, ausgeglichen und unaufgeregt. Sie sind das Ergebnis einer tiefen Durchdringung des Phänomens „Zeit“ durch einen hochsensiblen Künstler. Dieser Künstler nimmt uns mit auf seiner Suche nach der Wahrheit, nach der Schicht unter der Oberfläche, den Dingen hinter dem Vorhang. Das Verborgene, das Geheimnisvolle zieht ihn magisch an, und er weiß es uns mit seinen künstlerischen Fähigkeiten zu vermitteln. Er beherrscht souverän die Dialektik des Zeigens und Verbergens und weist zugleich über die Ränder seiner Darstellungen hinaus. Das macht den Betrachter neugierig und frei von Bevormundung. Der Bildraum stellt keine Begrenzung mehr dar, wir können ihn ungehemmt überschreiten. So dürfen wir mit den Anregungen und Gedanken des Künstlers aus seinem Bild in unsere eigene Gedankenwelt treten und versuchen, die gestellten Fragen für uns zu beantworten. Deshalb ist das Leben mit den Bildern von Carmelo Cicero so spannend. Er stellt Fragen über Fragen, vermittelt aber keine letzte Sicherheit für ihre Beantwortung. Und dennoch geht von seinen Werken ein Strahlen und ein Leuchten, eine Ruhe und eine Art von Verheißung aus, die uns helfen über das nachzudenken, was uns auch heute noch nach wie vor am meisten bewegt:
„Wer sind wir, woher kommen wir und wohin gehen wir?“
So wünsche ich Ihnen allen bei einem Spaziergang durch das historische Treppenhaus und die Galaxien von Carmelo Cicero bereichernde Erfahrungen für Ihre Innenwelt. Nicht mehr und nicht weniger ist das Ziel dieser Ausstellung.
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